Das Stimmmaterial
Teil 2 meines Blogs über meine Arbeit als Wahlhelfer im lokalen Abstimmungsausschuss
Der Gemeinderat meiner Wohngemeinde hat mich für die Periode 2022 / 2023 in den Abstimmungsausschuss gewählt. Damit erhalte ich direkten Einblick in die praktischen Abläufe von Wahlen und Abstimmungen in der Schweiz. Diese Abläufe sind in der Öffentlichkeit viel zu wenig bekannt. Dies hier ist das Blog zum Thema.
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Am 13. Februar 2022, dem nächsten Sonntag, ist Abstimmungssonntag. Auf eidgenössischer Ebene stimmen wir über vier Vorlagen ab und hier im Kanton Bern kommt noch eine kantonale Abstimmung dazu:
- Vorlage 1: Volksinitiative “Ja zum Tier- und Menschenversuchsverbot - Ja zu Forschungswegen mit Impulsen für Sicherheit und Forschritt”
- Vorlage 2: Volksinitiative “Ja zum Schutz der Kinder und Jugendlichen vor Tabakwerbung (Kinder und Jugendliche ohne Tabakwerbung)”
- Vorlage 3: Referendum “Bundesgesetz über die Stempelabgaben”
- Vorlage 4: Referendum “Bundesgesetz über ein Massnahmenpaket zugunsten der Medien”
- Vorlage Kanton Bern: Referendum “Gesetz über die Besteuerung der Strassenfahrzeuge”
Für diesen 2. Blog Post in meiner Serie aus dem Abstimmungsausschuss habe ich mir vorgenommen das Abstimmungsmaterial genauer zu untersuchen und zu beschreiben.
Zum Abstimmungsmaterial zähle ich:
- Das Zustell- und Antwortkuvert
- Der Stimmrechtsausweis
- Das Stimmzettelkuvert
- Den eidgenössischen und den kantonalen Stimmzettel
Dazu kommen ein eidgenössisches und ein kantonalbernisches Abstimmungsbüchlein, also zwei brochierte Hefte mit Informationen zu den Vorlagen. Sie dienen der Meinungsbildung und ich beachte sie hier nicht weiter, da sie für das Abstimmen und Auszählen im engeren Sinn keine Rolle spielen.
Aber gehen wir die einzelnen Teile der Reihe nach durch.
Das Zustell- und Antwortkuvert (hier Zustellkuvert genannt)
Das Zustellkuvert ist ein Umschlag aus Recyclingpapier und etwas kleiner als B5 (170mm x 245mm). Es scheint sich dabei um ein Sonderformat zu handeln, das sich aber online beim Hersteller im Internet bestellen lässt.
Das Zustellkuvert besitzt auf der Vorderseite ein grosses Fenster durch das die Zustelladresse sichtbar wird. Es fehlen auf der Vorderseite jegliche Aufdrucke.
Auf der Rückseite finden sich dann sehr viele Angaben zur Abstimmung. Also die Öffnungszeiten des Abstimmungslokals, eine Anleitung zum Ausfüllen der Abstimmungsunterlagen, rechtliche Hinweise sowie eine Strafandrohung nach StGB Art. 282 und 282bis.
Auf der Umlegelasche ist in fetter Schrift der Hinweis aufgedruckt, dass der Stimmrechtsausweis zerrissen werden müsse, falls man sein Stimmrecht nicht ausübt. Dieser Hinweis ist wichtig, denn das Einsammeln von Stimmmaterial im Altpapier ist eine recht einfache Methode, um im kleineren Rahmen Abstimmungen und Wahlen zu beeinflussen. Auf kommunaler Ebene kann das durchaus effektiv sein.
Interessanterweise betrifft dieser Hinweis nur den Stimmrechtsausweis, während die Strafandrohung ganz unten sich nur auf Wahl- oder Stimmzettel bezieht. Ich vermute das liegt daran, dass Artikel 282bis tatsächlich nur von Wahl- und Stimmzetteln, aber nicht von Stimmrechtsausweisen spricht. Zudem bedeutet das Unterschreiben eines fremden Stimmrechtsausweises ja automatisch Urkundenfälschung, was der Gesetzgeber separat sanktioniert. Trotzdem irgendwie merkwürdig.
Aber egal, wir merken uns: Ungebrauchte Stimmrechtsausweise sollten vor der Entsorgung zerrissen werden.
Interessant auch das Gemeindewappen und der Name der Einwohnergemeinde auf der linken Seite. Ich habe beides abgedeckt, denn mein Wohnort im Kanton Bern tut nichts zur Sache, aber offensichtlich besitzt meine Gemeinde - eventuell jede Gemeinde - eigene Zustellkuverts.
Wenn man das Kuvert öffnen will, dann reisst man es bekanntlich vorsichtig mit dem perforierten Streifen auf (Hinweis “Beim Öffnen hier festhalten”). Ich habe es sehr vorsichtig gemacht und die Umschlaglasche blieb intakt, was mir wirklich nicht immer gelingt.
Wenn korrekt geöffnet, dann lässt sich der Umschlag mit dem angebrachten Klebestreifen auf der Unterseite der Umlegelasche ein zweites Mal verschliessen. Übrigens trägt die Abdeckfolie über diesem Klebestreifen keinen Aufdruck.
Bevor wir weiter gehen, werfen wir noch einen Blick in das leere Zustellkuvert: Auf der Innenseite zeigt sich ein spezieller Aufdruck. Man kann also nicht einfach einen beliebigen Umschlag mit den Abstimmungsinformationen auf der Rückseite bedrucken. Dagegen spricht einerseits das Sonderformat und andererseits dieser Aufdruck, der eine simple Fälschung wiederum einfach erkennbar macht.
Weiter mit dem Stimmrechtsausweis.
Der Stimmrechtsausweis
Der Stimmrechtsausweis besitzt das Format A5 und ist auf festem, weissem Papier gedruckt. Wasserzeichen sind auf dem Papier nicht sichtbar.
Die Vorderseite des Stimmrechtsausweises trägt meine Adresse. Sie war durch das Sichtfenster des Zustellkuverts bereits sichtbar.
Stimmrechtsausweis, Vorderseite
Darüber der hier abgedeckte Absender, meine Wohngemeinde. Der QR-Code rechts ist ein Tracking Code der Post. Etwas unscheinbar ist oben rechts mein Jahrgang aufgedruckt. Das ist aus meiner Sicht ein recht simples aber effektives Sicherheitselement. Namen findet man im Telefonbuch oder auf Briefkästen. Jahrgänge sind dem gegenüber aber schon weniger gut zu beziehen. Für das Fälschen einer grösseren Zahl von Stimmrechtsausweisen ist das eine Hürde. Der Jahrgang ist aber auch eine Information, welche die Gemeinde im Stimmregister eingetragen hat. Es ist also ein Element über das die Gemeinde einfach verfügen kann, während ein möglicher Fälscher erst einen Zusatzaufwand leisten muss.
Dass Sicherheitselemente auf dem Stimmrechtsausweis wichtig sind, besagt bereits sein Name. Wer dieses Stück Papier besitzt, weist sich als stimmberechtigt aus: Er oder sie braucht im Stimmlokal keine Identitätskarte mehr vorzuweisen. Der Besitz des Ausweises belegt die Stimmberechtigung (deshalb soll er eben auch zerrissen werden, falls er nicht gebraucht wird).
Wir sehen auch das Wappen des Kantons Bern und nehmen zur Kenntnis, dass der Kanton Bern zweisprachig ist. Am Wappen des Kantons sehen wir, dass Abstimmungen und Wahlen unter der Hoheit des Kantons ablaufen, denn das eidgenössische Wappen fehlt auf dem Stimmrechtsausweis. Durchgeführt werden Wahlen und Abstimmungen aber - das belegt das Gemeindewappen und der Absender hier - von der Einwohnergemeinde.
Kommen wir zur Rückseite des Stimmrechtsausweises. Dort befindet sich ein leeres Feld für meine Unterschrift, ein erneuter Hinweis auf die Öffnungszeiten des Stimmlokals im Gemeindehaus und mehrere Hinweise, wie der Stimmrechtsausweis zurück in das Zustellkuvert gelegt werden soll, damit die hier angebrachte Gemeindeadresse im Zustellkuvert sichtbar wird. Der Stimmrechtsausweis hat also eine mehrfache Funktion:
- Er dient als Adresse für die Zustellung des Materials zu den Stimmberechtigen nach Hause.
- Er belegt die Stimmberechtigung.
- Er dient zum Unterschreiben und damit zum Bestätigen des eigenhändigen Ausfüllens der Stimmzettel.
- Er dient als Adresse zur Zustellung des ausgefüllten Stimmmaterials bei der brieflichen Abstimmung.
Unterschiedlich wird die Frankatur beim brieflichen Abstimmen gehandhabt. Es ist gut untersucht, dass sie einen überraschend starken Einfluss auf die Stimmbeteiligung hat und so bezahlt unsere Gemeinde die Portokosten für das briefliche Abstimmen. Zu diesem Zweck ist der Hinweis auf die B-Post und auf eine Geschäftsantwortsendung (GAS) mit bevorzugtem Tarif angebracht. Rechts neben der Adresse ein weiterer Tracking Code im QR-Format. In vielen Fällen wird bei uns im Dorf jedoch die Post für den Rückversand der Unterlagen gar nicht in Anspruch genommen: Vielmehr werfen zahlreiche Stimmberechtigte die ausgefüllten Unterlagen in den Briefkasten der Gemeinde.
Das Stimmkuvert
Das Stimmkuvert ist recht unscheinbar. Es kommt im Format C5 daher und ist generisch bedruckt. Das heisst es besitzt keine gemeindespezifischen Merkmale. Es dürfte sich aber um einen für den Kanton Bern gedruckten Umschlagstyp handeln, denn die Aufschriften sind zweisprachig gehalten (Allenfalls also Bern, Freiburg und Wallis). . Auf der Vorderseite ein Hinweis, dass das Stimmkuvert seine Authentizität vom Zustellkuvert bezieht. Das heisst, wenn ich das Stimmkuvert für das briefliche Abstimmen benützen will, dann geht das nur, wenn ich auch das Zustellkuvert dazu verwende. Daneben drei Hinweise zum korrekten Einlegen und Verpacken. Interessanterweise wird verlangt, die Stimmzettel ungefaltet einzulegen (“Den oder die ausgefüllten Stimmzettel ungefaltet einlegen”). Wir werden sehen, dass das für den eidgenössischen Stimmzettel dieses Abstimmungswochenendes gar nicht möglich ist.
Zu unrecht übersieht man ein meines Erachtens wichtiges Sicherheitselement des Stimmkuverts: Die beiden Löcher, die zumindest in unserer Gemeinde immer da sind. Drehen wir den Umschlag um, dann sehen wir, dass die Löcher auf der Rückseite grösser sind als auf der Vorderseite.
Sollten wir ein Stimmkuvert also fälschen wollen, können wir nicht einfach einen C5-Umschlag bedrucken und zwei Löcher durchstanden. Vielmehr müssten wir die Löcher recht aufwändig vorne und hinten separat und doch an derselben Stelle durchdrücken, oder aber die Löcher vor dem Kleben des Kuverts in unterschiedlicher Grösse stanzen. Das ist machbar, aber es ist technisch anspruchsvoll.
Aufdrucke fehlen auf der Rückseite, aber links und rechts schaut eine Abdeckfolie aus unter der Umschlagklappe hervor. Sie deckt den Klebestreifen ab, mit der der Umschlag verschlossen werden kann. Übrigens ist auf der Abdeckfolie der Name des Herstellers aufgedruckt und dieser Hersteller hat im Internet auch Stimmkuverts im Angebot, wenn auch nicht zweisprachige und nur solche ohne Löcher.
Wir kommen zum letzten Teil, zu den Stimmzetteln.
Die Stimmzettel
Die Berner Vorlage ist auf hellgrünem Papier im Format A6 gedruckt. Oben links das Kantonswappen, rechts das Feld für die Antwort. Ein Wasserzeichen fehlt und die Rückseite ist leer. Allenfalls drückt die Vorderseite leicht durch, denn es handelt sich um sehr dünnes Papier.
Der eidgenössische Stimmzettel ist auf grauem Papier gedruckt und trägt oben zwei Mal das Wappen der schweizerischen Eidgenossenschaft. Er besitzt das Format A4 und ist in der Mitte vorgefaltet, aber nicht perforiert. Ohne Faltung würde der Stimmzettel nicht in die beiden Umschläge passen, und der oben erwähnte Hinweis, er müsse ungefaltet ins Stimmkuvert eingelegt werden, ergibt deshalb für mich keinen Sinn.
Stimmzettel eidgenössisch, Vorderseite
Ein Wasserzeichen ist ebenfalls nicht sichtbar.
Die Vorlagen sind fett nummeriert und alle vier nehmen exakt denselben Raum ein. Die Initiativen und Referenden sind zweisprachig beschriftet und rechts findet sich jeweils das eingerahmte Antwortfeld.
An den schmalen Seiten des Zettels ist jeweils pro Vorlage ein kleines Stück Rand rundlich herausgestanzt. Für jede Vorlage an einer anderen Position. Ich nehme an, es wird damit leichter die Stimmzettel bündig und in gleicher Richtung zu stapeln.
Stimmzettel eidgenössisch, Rückseite
Auf der Rückseite des Stimmzettels stehen erneut die Nummern der Vorlagen. Daneben gibt es keine weiteren Aufdrucke.
Fazit
Auf dem Stimmmaterial finden sich die Wappen der drei eidgenössischen föderalen Ebenen. Das belegt, dass für eine Volksabstimmung Bund, Kantone und Gemeinden zusammenspielen müssen. Man kann sich unschwer vorstellen, dass das einen hohen Koordinationsaufwand mit sich bringt; ein Aufwand, den man dem Stimmmaterial auf den ersten Blick gar nicht ansieht.
Zwei Merkwürdigkeiten sind mir aufgefallen:
- Die Strafandrohung für das Sammeln von Stimm- und Wahlzetteln, nicht aber für das Sammeln von Stimmrechtsausweisen. Das passt nicht recht zusammen.
- Die Aufforderung, dass die Stimmzettel nicht gefaltet werden sollen, obschon der eidgenössische Stimmzettel nur gefaltet in das Stimmkuvert passt.
Mehrere relativ simple Sicherheitsmerkmale erhöhen den Aufwand für Fälschungen. Allerdings fehlen Wasserzeichen, welche die Kosten noch einmal deutlich erhöhen könnten. Namentlich auf dem Stimmrechtsausweis brächten Wasserzeichen einen Mehrwert, denn eine Fälschung ohne Wasserzeichen wäre auch für Laien sofort erkennbar. Eine Fälschung mit Wasserzeichen wäre aber dem gegenüber nur sehr schwer und nur für einen vergleichsweise kleinen Personenkreis mit Zugriff auf das offizielle Stimmrechtsausweispapier machbar. Das brächte meines Erachtens also einen Mehrwert, aber natürlich auch Mehrkosten mit sich.
Ausblick
Am Sonntag ist Abstimmungssonntag. Unser Einsatzplan steht und wir werden um 09:45 im Gemeindehaus erwartet. Die Gemeindeverwaltung hat im WhatsApp Chat bestätigt, dass sie sich um das Einrichten (Covid-19 Schutzmassnahmen) und Aufstellen der Urnen kümmern werden.
Ich bin gespannt auf unseren ersten Einsatz und werde danach wieder darüber berichten.